Die ausgeprägte Mobilität der Scherenschleifer und, allgemeiner, der saisonalen oder temporären resianischen Emigranten, hatte sicherlich Auswirkungen auf die resianische Gesellschaft. So waren diese Arbeiter de facto auch die einzige Verbindung zwischen Resia und der Außenwelt. Diese Auswanderer kamen bei ihren häufigen Reisen ständig in Kontakt mit neuen Realitäten, neuem Wissen, neuen Geräten und neuen Trends. Sie übermittelten, vermutlich unbewusst, die Informationen zwischen dem Tal und dem Rest der Welt, indem sie bei jeder Rückkehr „Neues“ mitbrachten. Antonio Longhino schreibt in seinem Essay über die Scherenschleifer im Resiatal: „ (…) die Scherenschleifer arbeiteten auch im Bereich der Information. Sie waren nämlich Übermittler von Nachrichten aus der Außenwelt …“ (A: LONGHINO; 1992). Dazu gehörten damals nicht nur technische und architektonische Innovationen oder große wissenschaftliche Entdeckungen, sondern die Scherenschleifer waren vor allem „Überbringer“ neuer Moden und frivoler Novitäten.
Ganz sicher waren die resianischen Emigranten auch die ersten, die etwa mit der Welt der Fotografie in Kontakt kamen, die damals für die meisten nicht zugänglich war. Das Vorhandensein zahlreicher Porträts von Resianern im Ausland scheint diese von vielen lokalen Zeitzeugen unterstützte Theorie zu bestätigen. Die Scherenschleifer/brüsarji und die fahrenden Händler/kramarji waren die ersten, die die Möglichkeit hatten, die neue Technik der Fotografie kennenzulernen. Dies logischerweise dank ihrer ständigen Reisen und vor allem aufgrund ihrer in jeder Hinsicht im Vergleich zu den im Resiatal verbliebenen besseren finanziellen Möglichkeiten.